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Was, bitte, sind denn Anti-Nährstoffe?

 

Jede Pflanze enthält von Natur aus Nährstoffe wie beispielsweise Vitamine, die unser Körper zum Leben braucht. Allerdings enthält die Pflanze auch Anti-Nährstoffe, die unsere Nährstoffaufnahme behindern oder unserer Gesundheit sogar schaden können. Diese Antinährstoffe werden auch als antinutrive Substanzen bezeichnet. Getreide bildet hierbei keine Ausnahme. In diesem Zusammenhang beschäftigen wir uns heute den wichtigsten Anti-Nährstoffen, die im Getreide vorkommen.

Anti-Nährstoffe können bei Menschen mit einem empfindlichen Magen-Darm-Trakt, insbesondere bei Zöliakie, Glutensensitivität oder einem Reizdarm,  zu weiteren gesundheitlichen Problemen führen. Allerdings sollten wir sie nicht verteufeln, da sie sind nicht per se ungesund sind und nicht zwangsläufig zu gesundheitlichen Problemen führen müssen. Ihr Einfluss auf die Gesundheit hängt von verschiedenen individuell unterschiedlichen Faktoren ab.

Im Folgenden werden wir werden uns zunächst den Aufbau eines Getreidekorns ansehen und dann verschiedenen Anti-Nährstoffe besprechen. 

 

Das Getreidekorn

  • Bärtchen: auch Spelz genannt, (an Weizen und Gerste) wird vor dem Mahlen entfernt.
  •  Schale: äußerste Schicht des Korns, die hauptsächlich aus Ballaststoffen besteht.
  • Aleuronschicht: eine dünne Schicht unter der Schale - reich an Vitaminen, Mineralstoffen und Eiweiß.
  • Mehlkörper: "Endosperm". Das ist der größte Anteil im Korn mit hauptsächlich Stärkekörnchen und Gluten.
  • Keimling: Der Teil des Korns, der zu einer neuen Pflanze heranwächst hat besonders viele Nährstoffe, aber leider auch Antinährstoffe.

Anti-Nährstoffe

Hier stelle ich euch 9 Anti-Nährstoffe vor, die in traditionellen Getreide- und Alternativmehlen vorkommen.

1. Lektine

Lektine sind winzige Proteine, die in vielen Lebensmitteln vorkommen können, insbesondere in Getreide. Weizen enthält besonders viele Lektine, einschließlich des bekannten Glutens. Andere Getreidesorten wie Roggen, Gerste und Hafer können ebenfalls Lektine enthalten, aber in geringeren Mengen. Die meisten Menschen können Lektine ohne Probleme vertragen, solange sie in Maßen konsumiert und nicht roh verzehrt werden. Lektine sind wie kleine "Schlüssel", die sich an spezifische "Schlösser" auf Zelloberflächen binden und verschiedene Wirkungen haben können. Einige Lektine sind giftig und können zu schweren Vergiftungen führen, während andere Lektine positive gesundheitliche Wirkungen haben können.

Die höchsten Lektinkonzentrationen sind im Samen zu finden. Phytohämagglutinin aus rohen Bohnen und das Wheat Germ Agglutinin (WGA) aus Weizen sind die bekanntesten.

Zu den lektinreichen Lebensmittel zählen Getreide, Hülsenfrüchte (wie Soja), Tomaten, Paprika und rohe Bohnen. Es wird vermutet, dass Lektine im Darm Entzündungen verursachen und das Immunsystem stark irritieren können.

 

Lektine können als Teil der natürlichen Abwehrmechanismen von Pflanzen betrachtet werden, da sie Teil des "Arsenals" an chemischen Abwehrstoffen sind, mit denen Pflanzen Tiere und Insekten daran hindern, sie zu fressen. Indem sich Lektine an spezifische Zelloberflächen von potenziellen Fraßfeinden binden, können sie starke Störungen im Verdauungssystem verursachen und so das Fressen der Pflanzen verhindern oder zumindest erschweren.

 

2. Gluten

Das Klebereiweiß Gluten ist eines der Hauptproteine in Getreide und kommt hauptsächlich im Mehlkörper vor. 

Gluten habe ich ausführlich vorgestellt: Gluten. Was ist das eigentlich genau?

 

Das Klebereiweiß Gluten hat in der Pflanze die Aufgabe, als Nährstoff- und Energiereserve für den sich entwickelnden Keimling zu dienen und ihn vor Fressfeinden zu schützen. Ebenso dient es als Schutz vor Pilzbefall.

 

3. WGA

WGA steht für Weizenkeim-Agglutinin (Wheat Germ Agglutinin), ein Protein, dass in Weizen vorkommt und zur großen Familie der Lektine gehört.

WGA ist besonders hoch in Weizenkeimen und in in der äußeren Schicht des Weizenkorns konzentriert. Daher hat es die höchsten Konzentrationen in Weizen-Vollkornprodukten wie Vollkornbrot, Müsli und Nudeln. Es ist bekannt, das WGA sich im menschlichen Körper an Kohlenhydrate bindet und dadurch die Darmbarriere durchdringen  und in den Blutkreislauf gelangen kann. Es verursacht Entzündungen und Schäden an der Darmwand, was zu einer erhöhen Durchlässigkeit (Leaky-gut-Syndrom) führt, was wiederum zur Entstehung und Befeuerung von Autoimmunerkrankungen beiträgt. WGA kann auch die Aufnahme von Eisen, Zink und Kalzium im Darm hemmen und somit Nährstoffmängel begründen. 

 

Weizen bildet WGA um sich vor Fraßfeinden wie Insekten zu schützen. Es stört die Verdauung der Insekten, da diese nicht mehr in der Lage sind Nährstoffe zu verdauen und somit verhungern. 

 

 

 

4. ATI

Amylase-Trypsin-Inhibitoren sind vor allem in glutenhaltigem Getreide, insbesondere in Weizen, zu finden. In der modernen Weizenzüchtung wurde auf höhere Erträge, kürzere Wachstumszeiten und verbesserte Verarbeitungseigenschaften geachtet, aber nicht auf den gesundheitlichen Wert. Dadurch sind die Antinährstoffe, wie ATIs, angestiegen.

Alternative Mehle wie Mandel-, Soja-, Mais-, Hanf-, Leinsamen-  und Kokosmehl enthalten keine ATIs. Hafermehl enthält zwar ATIs, jedoch in geringerer Menge als Weizen und glutenfreier Hafer enthält noch weniger ATIs da er nicht zusätzlich kontaminiert wurde. Buchweizenmehl hat einen geringen und Kichererbsen- und Quinoamehl haben mittleren ATI-Gehalt. Der tatsächliche ATI-Gehalt variiert je nach Pflanze, Sorte, und  Anbau und kann heutzutage noch nicht exakt bestimmt werden.

 

ATIs tummeln sich hauptsächlich im Endosperm des Getreidekorns, aber in geringem Maße auch in der Samenschale. Sie treten gemeinsam mit Gluten im Getreidekorn auf und es wird vermutet, dass sie in Verbindung mit Gluten, wie in Weizenprodukten, stärkere Entzündungsreaktionen auslösen als allein, wie in glutenfreien Alternativmehlen. 

ATIs kommen in größeren Mengen nicht nur in Getreide, sondern besonders in den Hülsenfrüchten Sojabohnen und Linsen vor. Obwohl auch in Kichererbsen, Erbsen und Bohnen vorhanden, sind sie hier wesentlich geringer vertreten als in Getreide oder Sojabohnen. ATIs können durch fermentieren, keimen und einweichen reduziert werden.

Die schwer verdaulichen ATIs stehen im dringenden Verdacht, das Bäcker-Asthma auszulösen.

Bei der Weizensensitivität (Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität)  scheinen sie gar eine größere Rolle zu spielen als Gluten. Sie können Reaktionen in Lunge, Haut und Verdauungstrakt hervorrufen und sogar Allergien begünstigen.

 

ATIs dienen im Getreide der Abwehr von Parasiten und Hemmung des Eiweißabbaus im Getreidekorn. Sie sind ein Schutz- und Abwehrmechanismus der Pflanzen.

 

 

5. Enzymhemmer

Enzyme sind Proteine, die wichtige Funktionen im Körper übernehmen. 

Enzymhemmer sind natürliche Substanzen, die Enzyme daran hindern, ihre Arbeit zu tun. Im Getreide finden sich Enzymhemmer vor allem in der Schale und im Keimling. 

Enzymhemmer können negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben, da  sie die Verdauung von Nährstoffen und Proteinen hemmen und so die Nährstoffaufnahme beeinträchtigen.

Besonders Menschen mit einem empfindlichen Magen-Darm-Trakt, Zöliakie oder Glutensensitivität können gesundheitliche Probleme bekommen, wie verstärkte Verdauungsprobleme und Nährstoffmängel. 

Enzymhemmer sind hauptsächlich in glutenhaltigem Getreide wie Weizen zu finden, aber auch Mais, Buchweizen und Hülsenfrüchte können Enzymhemmer enthalten, jedoch in geringerem Maße. Hafer enthält ebenfalls geringere Mengen und unsere anderen Alternativmehle in der Rege keine Enzymhemmer.

 

Enzymhemmer im Getreide und anderen Pflanzen diesen als natürlicher Schutzmechanismus, um das Wachstum von Schädlingen und Parasiten zu verlangsamen oder zu hemmen.

 

6. FODMAPs

FODMAPs sind Kohlenhydrate, die in einigen Lebensmitteln vorkommen und bei empfindlichen Menschen Verdauungsprobleme verursachen können. Die Abkürzung steht für: fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide and Polyole.

Die meisten Getreidesorten enthalten FODMAPs, insbesondere Weizen, Roggen und Gerste. Doch auch Hülsenfrüchte wie Kichererbsen und Linsen sowie Obstsorten wie Äpfel und Birnen und auch Milch (Laktose) sind reich an FODMAPs. Einige Gemüsesorten, darunter Zwiebeln und Knoblauch, sind ebenfalls FODMAP-reich. 

Die Verdauung von FODMAPs erfolgt im Dünndarm und im Dickdarm, wobei letzterer für die meisten Probleme verantwortlich ist. Die FODMAPs können im Dickdarm nicht vollständig absorbiert werden und werden daher von Darmbakterien fermentiert. Diese Fermentation führt zur Freisetzung von Gasen und zur Produktion von kurzkettigen Fettsäuren, was bei empfindlichen Personen zu Verdauungsproblemen wie Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfall führen kann.

Glutenfreie Mehle wie Reismehl, Buchweizenmehl, Hirsemehl und Kartoffelstärke sind in der Regel FODMAP-arm. Kichererbsenmehl hingegen enthält einen hohen Gehalt an FODMAPs und sollte daher bei einer FODMAP-armen Diät vermieden werden.

 

FODMAPS dienen der Pflanze als Speicherform von Kohlenhydraten, die die Pflanze für Wachstum und Fortpflanzung benötigt. Darüber hinaus haben sie eine Schutzfunktion gegenüber Fressfeinden, indem sie durch ihre osmotische Wirkung den Verdauungstrakt der Feinde stören.

 

7. Oxalsäure

Oxalsäure ist eine natürliche chemische Verbindung die in vielen  Pflanzenarten wie Rhabarber, grünem Blattgemüse und Beeren vorkommt, ebenso im Getreide. Einige glutenfreie Alternativen wie Mandelmehl oder Buchweizenmehl weisen einen höheren Gehalt auf als Weizen und Gerste. Andere glutenfreie Mehle haben vergleichsweise geringere Werte. Eine moderate Aufnahme von Oxalsäure ist unbedenklich und kann sogar gesundheitliche Vorteile haben, da Oxalsäure als Antioxidans wirken kann. Allerdings kann eine übermäßige Aufnahme von Oxalsäure zu gesundheitlichen Problemen führen, da Oxalsäure im Körper Kalzium binden und somit die Bildung von Nierensteinen fördern kann. 

 

Oxalsäure ist ebenfalls Teil des natürlichen Abwehrmechanismus gegen Fressfeinde, wie Insekten und anderen Tieren, da es in größeren Menge giftig ist.

 

8. Phytinsäure

Phytinsäure kommt in Getreide, Hülsenfrüchten wie Bohnen, Linsen und Erbsen sowie in Nüssen und Samen wie Mandeln und Sonnenblumenkernen vor und kann für uns ein Problem darstellen. Das liegt daran, dass Phytinsäure die Aufnahme von Mineralstoffen wie Calcium, Eisen und Zink im Darm hemmen kann. Dies kann insbesondere für Menschen mit einem empfindlichen Magen-Darm-Trakt oder einer Nährstoffmangel-Erkrankung, wie Eisenmangel, problematisch sein. Verdauungsprobleme wie Durchfall können begünstigt werden. 

In den äußeren Schichten und im Keimling des Getreides ist der Phytinsäuregehalt am höchsten, während er im inneren Teil des Korns niedriger ist. Besonders hohe Konzentrationen finden sich in Vollkornprodukten wie Weizen, Roggen, Hafer und Gerste sowie in Sojabohnen.

Um die Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen zu erhöhen, kann es hilfreich sein, Strategien zur Reduzierung von Phytinsäure wie Einweichen, Keimen und Fermentieren von Lebensmitteln anzuwenden. 

 

Die Pflanzen nutzen Phytinsäure um Phosphor zu speichern und als Schutz gegen Schädlinge. Phytinsäure bildet aus Mineralien wie Kalzium, Eisen, Zink und Magnesium komplexe Strukturen, die von den Verdauungsenzymen der Fraßfeinde nicht aufgeschlossen werden können und dadurch das Wachstum der Tiere hemmen.

 

9. Tannine

Tannine sind pflanzliche Gerbstoffe, die in verschiedenen Lebensmitteln und Getränken vorkommen. Sie können in vielen pflanzlichen Produkten gefunden werden, einschließlich Tee, Kaffee, Wein, Nüssen und Obst wie Äpfeln, Granatäpfeln und Trauben oder Gemüse wie Spinat und Brokkoli. Auch in einigen Getreidesorten wie Hafer, Sorghum, Buchweizen und Gerste kommen sie vermehrt vor. 

Tannine können eine adstringierende (zusammenziehende, straffende und austrocknende) Wirkung auf Schleimhäute haben, was auch bedeutet, dass sie Proteine und Enzyme binden können, was die Nährstoffaufnahme beeinträchtigt. 

Jedoch haben Tannine auch positive Eigenschaften wie eine antioxidative Wirkung, die vor freien radikalen schützt und somit zum Schutz der Zellen beitragen kann.

 

Tannine sind für die Pflanze ebenfalls ein Abwehrschutz gegen Fraßfeinde wie Insekten und andere Tiere, da sie bitter und adstringierend schmecken und so von weiterem Fraß abhalten.

 

In dem Blogbeitrag "8 Tricks, um Anti-Nährstoffe zu reduzieren" erfahrt ihr, wie wir Anti- Nährstoffe verringern können!

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