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Wildhefe: 1. Was ist Wildhefe eigentlich?

 

Wildhefe, auch Fermentwasser, wildes Wasser, wilde Hefe,  Rosinenwasser, Wildhefewasser, Naturhefen, Rosinensauerteig oder schlicht Hefewasser genannt, ist ein natürliches Triebmittel für unsere Teige. Es besteht aus Wasser, frischen oder getrockneten Früchten, Zucker und viiielen Mikroorganismen. Ich denke, dass ihr alles zur Wildhefeherstellung im Vorrat habt und nach dem Lesen gleich loslegen könnt mit eurer eigenen Wildhefezucht. 

 

 

Wir können Wildhefe alternativ bei allen Hefeteig- und Sauerteigrezepten zum Backen einsetzen. Mit Wildhefe gebackene Brote schmecken so aromatisch wie mit einem sehr milden Sauerteig gebacken. Die Krume hat eine tolle Porung und das Brot schmeckt auch am dritten Tag noch saftig und lecker.

 

Wildhefe ist sehr gut verträglich und eine hervorragende Alternative bei Unverträglichkeiten gegen die industriell optimierte Kulturhefe, die wir als Frisch- oder Trockenhefe kaufen können (frischer Hefewürfel oder getrocknete Hefe in der Tüte).

 

 

Hefewasser ist seit der Hefeknappheit während der Corona-Pandemie fast jedem ein Begriff. Hefe war in allen regionalen Läden und sogar in den großen Online-Shops ausverkauft. Der ultimative Tipp, Hefewasser selbst herzustellen, machte schnell die Runde. Die meisten haben mit der wilden Bäckerei leider aufgehört, als es wieder Hefe zu kaufen gab. Das ist sehr schade! 

 

Gebt der Wildhefe eine Chance in eurem Backalltag. Sie zaubert euch die tollsten Brote und ihr werdet ebenso begeistert sein wie ich.

Das Grandiose ist: Wildhefen helfen uns nicht nur in der Backstube, nein, sie können in der kalten Küche auch Dips und Dressings verzaubern und obendrein sind sie auch noch gesund. Täglich ein paar Schlückchen probiotische wilde Hefen und unsere Darmflora fühlt sich wie im Wellness-Urlaub.

 

 

Ich backe schon seit Jahren mit Wildhefe und habe sie daher immer vorrätig. Manchmal steht das eine oder andere Wildhefewasser allerdings  2 Monate und länger ohne Beachtung im kühlen Keller oder Kühlschrank, da ich mit Hefe oder Sauerteig backe und meine Wildhefe in diesen Phasen in Vergessenheit gerät. Danach backe ich wieder regelmäßig mit Wildhefe, sodass sie durch das Auffrischen und Füttern schnell wieder hochaktiv wird.

Meine Mutterhefe "Wildi" begleitet meinen Backalltag nun schon über einige Jahre und ist noch immer kraftvoll und aromatisch. 

Das praktische an Wildhefe ist, dass sie so herrlich unkompliziert in der Haltung ist. Sie ist nicht so empfindlich und hungrig wie Sauerteig und will auch nicht zwingend wöchentlich gefüttert werden. In der Kälte des Kühlschranks gehen die kleinen Wildhefen in den Winterschlaf und entschuldigen uns ganz entspannt auch eine große Pause bis zu 10 Monaten (länger habe ich noch nicht ausprobiert). Nach ein- bis zwei-maligem Füttern mit Früchten, Honig und Zucker ist die Wildhefe wieder aktiv dabei. Sollte es einmal nicht klappen mit der Wildhefe, dann lässt sich in wenigen Tagen ein neues Hefewasser ansetzen. Wie? Das besprechen wir in Teil 2.

 

 

Vom Bier zum Brot

Wildhefewasser ist keine Erfindung der Neuzeit, wie manche vielleicht vermuten. Bereits lange vor dem Backen mit Sauerteig wurden Brote mit wilder Hefe gebacken.

Noch viel früher wurden Wildhefen für das Bierbrauen entdeckt: In Regionen, in denen Getreide wuchs, labte man sich an süßem Bierbrei und in anderen Regionen an Met (Honigwein). Die alkoholische Gärung erfreut seit Jahrtausenden die Gemüter in weiten Teilen der Erde.

Ok, das damalige Bier hatte in Aussehen und Geschmack nichts mit dem heutigen Bier gemein. Es war eher ein alkoholischer Bierbrei als ein Getränk. Aber wie wir alle wissen, hat die Entwicklung im Brauereiwesen nicht geruht. Als erste Kultur der Welt perfektionierten die Ägypter über Jahrtausende die Brau- und Fermentationstechnologien. Bevor es unsere kultivierte Hefe zu kaufen gab, wurden Brote mit frischer Bierhefe, Wildhefe oder Sauerteig (enthält auch Hefen) gebacken. 

Die ersten Hefen sollen sich schon vor 100 Millionen Jahren im Zuge der Entwicklung zuckerhaltiger Früchte auf eine schnelle Zuckerverwertung  (alkoholische Gärung) spezialisiert haben. Die einzelligen Hefepilze (ca. 10 Tausendstel Millimeter groß) gedeihen im flüssigen Milieu sehr gut. Es sollte noch lange dauern, bis die Fähigkeiten der Hefe zur Lockerung von Broten genutzt wurden. Die Anfänge des leicht gelockerten Brotbackens aus zerriebenen  Getreidekörnern vermutet man rund 4.500 Jahre v. Chr. 

Damals wusste man noch nicht, dass Hefen für die Gärung von Bier, Met und Brot verantwortlich sind. Das Vorhandensein von Hefe und anderen Mikroorganismen wurde erst von Forschern wie Justus Liebig, Robert Koch und Louis Pasteur um 1850 mit Hilfe des Mikroskops entdeckt. Pasteur konnte den komplexen Prozess der Gärung nachweisen und das ohne Hefe keine Fermentation stattfinden kann. Er entwickelte seinerzeit ein Verfahren, um Lebensmittel haltbar zu machen das heute noch gebräuchlich ist - die Pasteurisierung: Lebensmittel wurden kurzzeitig auf 60 - 70 Grad erhitzt. Dabei wird ein Großteil der vorhandenen Pilze & Co. abgetötet. Pasteur fand auch heraus, dass Hefen in Gegenwart von Sauerstoff weniger Zucker verbrauchen als bei Sauerstoffmangel und das sich Hefe mit Sauerstoffzufuhr schneller vermehren als ohne Luftzufuhr. 

 

Besonders gerne mögen Hefen den Einfachzucker Glukose (Traubenzucker) und verarbeiten diesen als erstes. Besonders glukosereich sind getrocknete Datteln, Feigen und Pflaumen, Rosinen, so wie Honig, Zucker, Trauben und Fruchtsäfte.

 

Was ist Hefe eigentlich genau?

Hefen sind die kleinsten Pilze der Welt, die wir mit bloßem Auge gar nicht zu erkennen vermögen. Wer hätte das gedacht?

Wenn wir an Pilze denken, fallen uns spontan eher Waldspaziergang, Pilze sammeln, Steinpilze und Pfifferlinge ein, oder? Jetzt dreht es sich aber alles um die winzigen einzelligen Hefepilze :-)

Heute sind rund 700 Hefearten mit über 5.000 verschiedenen Stämmen bekannt, aber bei weitem noch nicht endgültig erforscht. So wie es Speisepilze und Giftpilze gibt, gibt es auch Hefe die uns guttut wie unsere Wildhefe und Hefe die uns schadet wie Cadida albicans.

Hefe die wir zum Backen und Brauen verwenden zählt zu den sogenannten Sproßhefen. Diese können sich in einer ihnen angenehmen Umgebung (warm, feucht und nährstoffreich) durch Sprossung (Spaltung) vermehren. Ungefähr 90 - 120 Minuten braucht eine Zelle um sich zu "verdoppeln", wenn sie sich wohlfühlt.

Hefepilze (bei unserem Hefewasser sind es luftgetragene Wildhefen, die z. B. auf ungeschwefeltem Trockenobst sitzen und durch die Luft wirbeln) erzeugen eine Fermentation, bei der Zucker verstoffwechselt wird. Damit sich Hefe vermehren kann braucht sie Energie. Zur Energieerzeugung hat Hefe zwei Möglichkeiten, die sie je nach äußeren Bedingungen nutzen kann. 

  • Zellatmung: hierbei werden Traubenzucker (Glukose) und Sauerstoff in Kohlenstoffdioxid, Wasser und viiiel Energie umgewandelt. Es ist reichlich Energie zum Teilen vorhanden.
  • alkoholische Gärung: Traubenzucker wird in Kohlenstoffdioxid, Alkohol und sehr wenig Energie umgewandelt. Diesen Weg wählt sie vorübergehend bei Sauerstoffmangel und zu hoher Zuckerkonzentration (hier durch Überlastung). Die so gewonnene Energie reicht gerade zum Leben aus, aber nicht mehr zur Teilung. Steht der Hefe wieder Sauerstoff zur Verfügung geht sie wieder zur Zellatmung über.

Zucker allein reicht für einen florierenden Stoffwechsel auf Dauer nicht aus. Dafür benötigt die Hefe noch weitere Nährstoffe wie: 

  • Stickstoff (braucht sie unbedingt) 
  • B-Vitamine
  • Kalium und Phosphor

Diese wichtigen Stoffe können wir der wilden Hefe durch Zuckerrohrmelasse, Zuckerrübensirup und Trockenfrüchte anbieten. Aber auch natürlicher Apfelsaft (bes. Stickstoff und Zucker), Obst, Kräuter, Blüten und Tee haben Vitalstoffe für unsere Hefe in petto. Dazu verwöhnen wir unsere Wildhefen noch mit kuschliger Wärme von 25 - 30 Grad.

 

Hefen lassen sich industriell zu verschiedenen Spezialisten heranzüchten: Wir nutzen "speziell optimierte Hefen" als Treibmittel für Brote und andere Hefegebäcke ebenso, wie zur Wein- und Bierherstellung und sogar zu medizinischen Zwecken.

 

Hefe spielt beim Backen eine viel größere Rolle als wir vermuten: Sie produziert nicht nur Gas zur Teiglockerung, sondern beeinflusst auch das Volumen der Teige, das Aroma, die Struktur, die Farbe, Krume und Kruste, sowie die Haltbarkeit und ganz nebenbei versorgt sie uns auch noch mit Vitaminen und Mikronährstoffen. Deshalb kann ein Backpulverbrot zwar aussehen wie ein Hefeteigbrot, aber niemals dasselbe Ergebnis für Aroma, Krume und Kruste und unser Wohlbefinden bringen. 

 

Wieso heißt Wildhefewasser auch Fermentwasser?

Das Wort Fermentieren kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Gärung. Bei unserem Fermentwasser sind es Zucker und Früchte, die eine Gärung in Gang bringen. Wie ich oben geschrieben habe, gehört Hefe unabdingbar zur Gärung dazu. 

Wir arbeiten bei unserem Wildhefewasser mit wilder Hefe, die überall in der Luft schwirrt, sich auf Obst, Gemüse und Blättern tummelt oder beispielsweise auch im nicht erhitzten Honig enthalten ist.

Einer der Gründe, warum fermentierte Speisen und Getränke so gerne verzehrt werden, könnte sein, dass Fermentation Glutamat freisetzt und somit der pikante Umami-Geschmack zum Tragen kommt.

 

Während einer Fermentation wird unter anderem auch Histamin gebildet. Daher solltet ihr bei einer Histaminintoleranz vorsichtig probieren, ob euch Hefewasser bzw. Brot mit Hefewasser bekommt.

Rein theoretisch geht es problemlos - aber ihr wisst ja, dass probieren bekanntlich über studieren geht. :-)

Wusstet ihr, dass Lebensmittel wie Sauerteig, Joghurt, Kefir, Kombucha, Sojasoße, Kimchi, Sauerkraut, Miso, Salami, Essig, Wein und Bier (ursprünglich) alles Ergebnisse von Fermentationen sind?

 

So, mein Hefewasser blubbert und nun?

  •  Wir können Wildhefe solo oder in Kombination mit Hefe oder Sauerteig verbacken.
  • Mit Hefewasser lässt sich in 2-3 Tagen ein aktiver Sauerteig herstellen. Das war einer der Hauptgründe, warum ich mich vor Jahren wieder an Hefewasser erinnert habe, da mir der glutenfreie Sauerteigansatz mehrfach missglückte. Mit Wildhefe ist die  Sauerteigherstellung wirklich einfach und unproblematisch :-)
  • Ich füttere meinen Sauerteig regelmäßig mit Wildhefe statt Wasser (und Mehl natürlich). Das bekommt ihm ganz wunderbar. Mein Sauerteig Knut lebt mittlerweile fast 4 Jahre bei mir und hat gemeinsam mit Wildi schon viele köstliche Brote gezaubert.
  • Alle Rezepte, die mit Hefe- oder Sauerteig gebacken werden, können im Austausch mit aktiver Wildhefe gebacken werden. 
  • Wildhefe aktiviert Sauerteigbrote und lässt sie schneller intensiv gären. Allerdings ersetze ich bei einem Sauerteigbrot nicht das gesamte Schüttwasser durch Wildhefe, sondern nur etwa 100 ml bei einem Brot mit 300 g Mehl.
  • Wenn wir bei einem Milch-Hefeteig die Hefe ersetzen, verwenden wir nur rund 100 ml Hefewasser und die restliche Flüssigkeit bleibt für Milch, da diese eine zarte Krume macht, auf die wir bei einem Milchbrötchen nicht verzichten wollen. Ist die Milchmenge zu gering geworden, dann ersetzt man die Milch durch Sahne, um die feine Konsistenz zu bekommen.
  • Euch plagt eine Hefeunverträglichkeit? Dann probiert Wildhefe aus. Die meisten haben mit Wildhefe keine Probleme.
  • Brote mit Hefewasser brauchen eine längere Zeit zum Gären als Brote mit Frisch- oder Trockenhefe, deshalb ist hier ein Vorteig von großem Vorteil. Ein Vorteig kann auf Vorrat zubereitet werden und problemlos ein paar Tage im Kühlschrank auf seinen Einsatz warten. Dazu später mehr bei den entsprechenden Brotrezepten. 
  • Fermentation, wirkt wie ein natürlicher Geschmacksverstärker, der unsere Brote wunderbar aromatisch macht.
  • Mit einem aktiven frisch-aromatischen Hefewasser lassen sich auch Dips und Dressings veredeln, Mixgetränke und Pfannkuchen herstellen.
  • Ihr könnt das aktive Hefewasser sogar trinken! Ich fülle es gern mit gesprudeltem Wasser auf. Im Hefewasser tummeln sich viele Mikroorganismen, Vitamine (bes. B-Vitamine) und Mineralien, die wie eine Wellnesskur für unseren Darm und seine Bakterienflora sind.

Neugierig geworden? Dann springt flugs zu Teil 2: Da dreht sich alles um die Wildhefezucht. Bis gleich... Elke :)

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